Hong Yixiang (Hung I-Hsiang) 洪懿祥 (1925-1993)

06/09/2020

Mit Begeisterung erzählte mir mein Lehrer Dietmar Stubenbaum vor ein paar Tagen, dass er zwei kurze Videosequenzen mit dem berühmten taiwanesischen Kampfkünstler Hong Yixiang (Hung I-Hsiang) 洪懿祥 (1925-1993) entdeckt habe, in denen auch sein Freund, der junge Marcus Brinkman, ein Schüler Hong Yixiangs, zu sehen sei, und die ihn schlagartig in seine Zeit auf Taiwan zurück versetzt hatten.
Hong Yixiang, der auf Xingyiquan, Baguazhang und Taijiquan spezialisiert war, war einst einer der legendärsten Vollkontakt-Kämpfer Taiwans. 

Ihren Eindruck von Hong Yixiang (Hung I-Hsiang) 洪懿祥 beschreiben Howard Reid und Michael Croucher in ihrem Bestseller "Der Weg des Kriegers" aus dem Jahr 1983, der auf der BBC Dokumentation "The Way Of The Warrior" basiert, so:

"Manchmal holt er mit einer Geschwindigkeit, die für einen Mann seiner Leibesfülle unglaublich erscheint, einen Schüler heraus, drückt einen Nervenpunkt, setzt einen Hebel an oder verriegelt ein Glied, um seine Bemerkung zu illustrieren.

Dann schiebt er mit einem listigen Lachen den verdatterten Schüler zur Seite und wendet sich wieder der Arbeit zu. Wenn man ihn in seinem Haus oder seinem Trainingsraum besucht oder an den Frühstücksbesprechungen teilnimmt, die er in einem Straßencafé nach dem morgendlichen Training abhält, hat man eher das Gefühl in einem Hörsaal zu sitzen als unter kämpfenden Männern.

Alle seine Schüler, von denen manche noch Kinder sind, andere jedoch schon über sechzig Jahre alt, scheinen ganz im Unterricht aufzugehen, und sie sind ständig auf der Suche nach den höheren und tieferen Wahrheiten, die in den inneren Künsten verborgen sind"

Die beiden Videos oben, sind ein Zeitzeugnis aus jener Zeit, in der eine Handvoll westlicher Pioniere wie Marcus Brinkman, Dietmar Stubenbaum, Hermann Bohn, Bill (Arvo) Tucker, Bradford Tyrey, Tim Cartmell und Michael DeMarco [1] in den 70er, 80er und 90er Jahren ausgezogen, um in Taiwan ernsthaft, und über viele Jahre hinweg, die dortigen inneren Kampfkünste zu studierten (zu jenen die noch früher dort waren gehören Namen wie Robert Smith und Ken Fish). Dabei durften sie noch viele alte Meister erleben, von denen etliche 1949 mit Chiang Kai-shek (Jiang Jieshi) vom Festland China, nach seiner Niederlage gegen Mao Zedong, nach Taiwan geflohen waren, und die inzwischen verstorben sind. Manch einer von ihnen war noch im 19. oder Anfang des 20. Jahrhundert geboren worden. Ein paar seien hier stellvertretend genannt, wie Du Yuze (1897-1990), Gong Baozai (1904-2000), Wang Shujin (1904-1981) und Chang Dongsheng (1908-1986).

[1] Die Aufzählung der Pioniere ist als exemplarisch anzusehen, ebenso die der Meister, und keineswegs vollständig, all jene die nicht genannt sind mögen mir bitte verzeihen.

Hong Yinxians 洪懿祥 Schüler Luo Dexiu 羅德修, der unter anderem auch einer von mehreren Xingyiquan Lehrern Dietmar Stubenbaums während seiner Zeit auf Taiwan war, schreibt auf seiner Webseite über seinen Lehrer:
https://www.yizong.org/index.php/en/features/hung-i-hsiang

HUNG Laoshi was a kind-hearted man, but he wasn't much of a speechmaker. He didn't like to talk much, but loved to demonstrate the genuine skills and technique to give students the genuine flavor of the art. He was my precious teacher, and forever worthy of my deepest respect."

Weitere Informationen über Hong Yixiang (Hung I-Hsiang) 洪懿祥findet man auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Hung_I-Hsiang

Ausschnitt: "After he had studied with Chang for several years, Hung often led classes for Chang. Because the internal martial arts were still very new in Taiwan, many curious people would come to test Chang's skill. Hung said that Chang would often send him out to show the visitors what the internal styles were all about. Many martial artists in Taiwan remember Hung as being someone who was involved in many fights, both in and out of the martial arts studio."

Marcus Brinkman 2019:

Noch ein kleiner Ausschnitt über Hong Yixiang (Hung I-Hsiang) 洪懿祥 aus "Der Weg des Kriegers":

"Sein Sohn Tse Han erzählte die Geschichte:" Mein Großvater war Kerzenmacher. Vor langer Zeit, als es auf Taiwan noch keinen Strom gab, waren Kerzen ein unverzichtbarer Hausartikel. Als Kerzenmacher wurden wir sehr wohlhabend, aber wir hatten auch viel zu tun. Um seinen Söhne Kultur beizubringen und sie in der Selbstverteidigung zu unterrichten, ließ mein Großvater mehrere renommierte Kung-Fu-Meister in unser Haus kommen. Zunächst waren es alle Meister der Shaolin-Schule, aber sie gehörten nicht zu den besten.

Mein Großvater liebte es, Menschen mit Kenntnissen in den verschiedenen Kampfkünsten als Gäste in unser Haus einzuladen. Diese Leute kamen meist vom Festland. Einer von ihnen war Chang Chuenfeng, der später der Lehrer meines Vaters wurde. Mein Vater war der vierte von fünf Söhnen. Von den fünf Söhnen meines Großvaters lernten der zweite, der dritte, der vierte mit großer Begeisterung Kung-Fu. Sie lernten oft unter Meister Chang.

Obwohl jeder der drei in mindestens einer Fertigkeit besonders gut war, konnte keiner von ihnen jemals den Meister überwinden. Daher beschloss mein Großvater, Meister Chang zu unserem Hauslehrer zu machen. Chang war auf Hsig-I und Pa-kua spezialisiert.

Ein Meister war Chen Han-Ming, ein Ingenieur, der früher auf dem Festland beim Yellow Rover Engineering Bureau arbeitete. Chen war Meister des Shaolin-Boxen, Hsig-I und T'ai-Chi. Er stellte fest, daß seine Schüler T'ai-Chi nicht gelernt hatten, und er hielt dies für einen Mangel. So bat er meinen Großvater sehr höflich, ob er nicht einen seiner Söhne, den er sehr gerne hätte, als persönlichen Schüler haben könnte. Das war mein Vater."...

Ähnliches fand im Hause Du Yuzes statt, dessen Vater Du Youmei Chen Yanxi (Chen Fakes Vater) als Leibwächter einstellte, und um seine Söhne in der Kampfkunst zu unterrichten:

Aus cultura martialis:
"Als Meister Du 18 Jahre alt war, hatte sein Vater den sehr berühmten Chen-Stil Lehrer Chen Yanxi 陳延熙, einen Vertreter der 16. Generation, in sein Haus ganz in der Nähe des Chen-Dorfes, in den benachbarten Flecken Jinhuazhen 清化鎮, eingeladen, wo dieser seine Söhne im Chen-Stil-Taijiquan unterweisen sollte. Der Meister selbst war ein jüngerer Sohn des Altmeisters Chen Gengyun 陳耕耘 der 15. Generation, seinerseits ein legitimer Sohn des Chen Zhangxing 陳張興."

Du Youmei war zudem mit Chen Xin befreundet, half dabei Chen Xins Werk zu veröffentlichen, und schrieb auch ein Vorwort für das Buch.

Annemarie Leippert