Taijiquan - Kampfkunst oder gesundheitsförderndes Trainingssystem?

04/12/2017

Immer wieder liest man dass Taijiquan von Leuten zerteilt wird, in Taijiquan das nur wegen der Gesundheit trainiert wird und solches das als Kampfkunst trainiert wird.

Taijiquan ist aber Taijiquan in seiner Gesamtheit als Kampkunst die den Körper gesund und fit hält, wenn man es nicht als das üben möchte was es ist, lebt man in einem Irrglauben man könnte auch den gesamten gesundheitsfördernden Nutzen daraus ziehen den Taijiquan beinhaltet. Dieser gesundheitliche Nutzen ist direkt daran gekoppelt jin [1] im Körper herstellen zu können.

Hippokrates
Hippokrates

Die Körpermechanik wiederum um jin, und damit Spiralbewegungen im Körper herzustellen ist hochkomplex, dennoch völlig natürlich, und sie erfordert ein tiefgründiges Studium, in dem man die Theorie sowohl körperlich als auch intelektuell verstehen und umsetzen muss. Ausserdem benötigt man eine elastische Sehnenkraft, die durch entsprechendes Training aufgebaut werden muss. Man trainiert die geistigen Aspekte wie das "yi" und das ruhige Herz etc. Man trainiert alles was zum Taijiquan dazu gehört. [2]

Wenn die Bewegung nicht am Partner funktioniert, dann hat man es noch nicht verstanden, und der Körper tut die Dinge noch nicht richtig, der gesundheitsfördernde Nutzen kann sich zu dem Zeitpunkt noch nicht voll entfalten.

Dabei geht es nicht um äussere Techniken oder jemandem auf die Nase zu hauen.

Es geht darum den Körper zu einem echten Taijiquan-Körper umzuformen, dazu muss man eben Taijiquan als Taijiquan trainieren.

Wenn man das nicht möchte, trainiert man nur an der Oberfläche, und der gesundheitliche Nutzen kann sich nicht im vollen Umfang einstellen.

Möchte man nun die Kampfkunst erlernen, oder einen gesundheitlichen Nutzen daraus ziehen, oder beides, der Weg ist für jedes Ziel der gleiche, und das heisst Taijiquan muss in seiner Gesamtheit trainiert werden, denn nur so erhält man den erwünschten Taijiquan-Körper mit all seinen gesundheitlichen und kämpferischen Vorzügen.

Endnoten
[1] Auszug aus dem Interview mit Meister Chen Peishan in Heft Nr. 5 cultura martialis:
Chen Peishan: Neijin in ein paar wenigen Worten zu erklären ist sehr schwierig. Es sind viele Ausführungen notwendig, nicht nur verbal, vor allem auch praktisch. Von manchen wird neijin als innere Energie bezeichnet, doch ich denke nicht, dass es als Energie bezeichnet werden kann. Es ist vielmehr eine Bewegung. 

Lassen sie es mich so erklären: um ein Kraftfahrzeug zum Laufen zu bringen, schiebe ich es normalerweise nicht an, sondern es hat einen Motor und verschiedene Teile wie Getriebe, Kupplung und Antriebswelle. Es ist also viel involviert, um die Kraft vom Motor auf die vier Räder zu übertragen.

Das Zentrum der Bewegung im Taijiquan ist das dantian 丹田 das energetische Zentrum unterhalb des Bauchnabels. Die Körperbewegung wird durch jie 節 entwickelt. Jie bedeutet Segment. So kann man sich vorstellen, dass es viele Segmente im Körper gibt. Die Bewegung eines einzelnen Segments transferiert die Bewegung zum nächsten Segment und dann wieder zum nächsten. Die Bewegung der Segmente wird spiralförmig und mit großer Elastizität übertragen, transformierend vom dantian über die vielen einzelnen Segmente bis zu den äußersten Extremitäten. Diese Bewegung oder transferierende Übertagung kann man als jin bezeichnen. All dies unterscheidet jin natürlich von einer Bewegung, die mit roher Kraft und Spannung ausgeführt wird. Das jin besteht aber nicht nur aus einer physisch übertragenen Segmentbewegung, sondern steht auch in Verbindung mit dem qi 氣 und yi 意, der Vorstellung, und anderen feinstofflichen Elementen. Eine Bewegung, die aus allen diesen physischen und feinstofflichen Ressourcen erzeugt wird, bezeichnet man als jin.

cultura martialis: Können Sie das noch etwas näher erläutern?

Chen Peishan: Die innere Bewegung lässt sich in zwei Arten unterteilen. Auf der einen Seite steht die eigentliche physische Bewegung wie z.B. die Bewegung der Schulter und Hüftgelenke. Auf der anderen Seite steht die feinstoffliche Bewegung (qi), kontrolliert durch das yi. Die Organfunktion [15] kann durch den Fluss des qi in den Leitbahnen (jingluo 經絡) [16] beeinflusst werden. Das Zusammenspiel von yi, ji, jingluo, den Organen und deren Verbindung stellt somit die andere Art der inneren Bewegung dar.

cultura martialis: Aber können wir dann sagen, dass ein Taijiquan, das nur in einer choreographischen Variante existiert oder unterrichtet wird - also ohne neijin - überhaupt etwas Positives zur Gesundheit beitragen kann?

Chen Peishan: Wir können weder sagen, dass es gut noch schlecht für die Gesundheit ist; sicher aber lässt sich sagen, dass es eben keinen so hohen Qualitätsanspruch besitzt. Wirkliches Taijiquan sollte innere Bewegung (neijin) besitzen. Tut es dies nicht, ist es nicht wirklich Taijiquan, sondern etwas anderes wie z.B. irgendeine Sportart oder Gymnastikform.

[2] Die ausführlich beschriebene Theorie zum Taijiquan findet man in der deutschen Übersetzung des Taijiquan Klassikers von Chen Xin den "Kommentare zu den Graphischen Erläuterungen zum Taijiquan des Chen-Clans". Erhältlich im Verlag Dietmar Stubenbaum: https://verlag-stubenbaum.de/index.php/buecher.htmlaliquam quaerat voluptatem ut enim ad minima veniam quis.